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   Der erste Mauergedenkstein in Berlin von 1961
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   Freiluftausstellung zur Berliner Mauer am Checkpoint Charlie
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   Mauerreste am Potsdamer Platz
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   Markierung der Berliner Mauer im Straßenpflaster
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   Infopavillion zum 20. Jahrestag des Mauerfalls am Potsdamer Platz
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   Markierung der Berliner Mauer im Straßenpflaster
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   Gedenkkreuze für die Opfer der Mauer - "Weiße Kreuze"

Rainer E. Klemke

Die meistgestellte Frage: „Wo war denn eigentlich die Berliner Mauer?“ – Der Ruf nach einem Gesamtkonzept für den Umgang mit der Berliner Mauer

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre wurde die Frage von Gästen der Stadt, aber auch aus der Berliner Bevölkerung immer lauter: „Wo war denn eigentlich die Mauer?“ Die Opferverbände mahnten eine umfassende Erinnerung an das Mauerregime und seine Opfer an. Internationale Umfragen zeigten, dass Berlin weltweit vor allem mit dem Thema Mauer und ihrem Fall, einer politischen Ikone der Welt, verbunden wurde und Berlin gerade wegen seiner politischen Aufladung als „das Rom der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts“ besucht wurde. In der Stadt selbst aber waren die noch vorhandenen Spuren nur mit kundiger Führung zu finden, Zusammenhänge schwer zu erschließen und eine Vorstellung davon, was die Teilung einer Stadt für diese und ihre Bevölkerung bedeutet hatte, nur mit größter Fantasie zu entwickeln. Nun wurde in den Medien eine breite Diskussion darüber geführt, warum so vieles abgerissen und beseitigt worden war und wie man die Geschichte der Mauer in der Stadt wieder sichtbar machen könnte. Den verschiedenen und vielfältigen einzelnen und nicht aufeinander bezogenen Erinnerungsorten, Gedenkstätten und Mauerteilen fehlte ein konzeptioneller Verbund und dies wurde zunehmend als unbefriedigend empfunden.

Die Wahrnehmung der Berliner Mauer war seit 1961 vor allem mit dem Gedenken und der Erinnerung an ihre Opfer verbunden. Mit dem ersten Mauertoten, Günther Litfin, der nur wenige Tage nach dem Mauerbau am 24. August 1961 bei einem Fluchtversuch erschossen wurde, wurde das Bild der Mauer in der Welt als eine todbringende Einrichtung, die für den menschenverachtenden Charakter des Regimes in der DDR zum Symbol wurde, festgelegt. Spontan wurden immer wieder Mahnmale und Todeskreuze für Maueropfer errichtet. Insgesamt entstanden so bis 1989 rund 50 Denkmale, die an die tödliche Geschichte der Berliner Mauer erinnerten. Diese wurden nach dem Mauerfall zu den entsprechenden Gedenktagen von den Berliner Bezirken bzw. dem Senat ergänzt und mit kommentierenden Infotafeln versehen. Im November 1961 errichtete das Kuratorium Unteilbares Deutschland das erste Mauermahnmal auf dem Mittelstreifen der Straße des 17. Juni gegenüber dem Brandenburger Tor. Mittlerweile steht es etwas abgeschoben und längs geschwenkt kurz vor der Siegessäule.

Während die entstandenen Denkmäler auch nach dem Fall der Berliner Mauer weiter gepflegt und sogar vervollständigt wurden, bestand hinsichtlich der eigentlichen Mauer ein breiter Konsens in der Bevölkerung, den Medien und der Politik, dass diese schnellstmöglich aus dem Stadtbild zu verschwinden habe. Die ehemaligen DDR-Grenztruppen, bis zu diesem Zeitpunkt mit tödlicher Konsequenz mit der Sicherung der Grenzanlagen beschäftigt, versuchten ihre Leistungsfähigkeit nunmehr dadurch zu demonstrieren, dass sie mithalfen, die bis zum Herbst 1989 am besten gesicherte Grenze der Welt abzureißen. Von den politisch Verantwortlichen im Land und in den Berliner Bezirken wurde unter großem medialem Echo jede wieder geöffnete Straßenverbindung zwischen Ost und West gefeiert. „Mit der gleichen Gründlichkeit, mit der sie die Mauer 28 Jahre lang bewacht hatten, gingen die DDR-Grenztruppen, seit dem 3. Oktober 1990 dem Bundeswehrkommando Ost unterstellt, nun bei ihrem Abriss zu Werk. Schon am 30. November 1990 meldeten sie Vollzug.“[1] Die kleine Schar von Experten aus Denkmalpflege, Museen, Kulturverwaltung, aber auch sonstige engagierte Bürger, die dafür warben, zumindest einen Teil der Grenzanlagen als Mahnung und Denkmal zu erhalten, konnten sich in der allgemeinen Euphorie, den Berliner Albtraum aus Beton und Stacheldraht für immer aus dem Stadtbild zu tilgen, nicht durchsetzen. Insbesondere mit dem Antritt der Großen Koalition 1991 sollte das „neue Berlin“ geschaffen werden und dies vornehmlich auf den Mauerbrachen im Herzen der Stadt. Der enorme Druck, den die Mauer in den 28 Jahren ihrer Existenz aufgebaut hatte, schien sie bis auf einzelne Spuren geradezu wegzusprengen. Die unbändige und weltweite Freude über den Mauerfall machte zugleich das Maß vorhergehender Unterdrückung und Hoffnungslosigkeit in der DDR deutlich.

Die verschiedenen Formen des Erinnerns

Denkzeichen für Peter Fechter, Günter Litfin und Chris Gueffroy

Das erste Gedenkzeichen für Maueropfer wurde am 17. August 1962, dem Todestag von Peter Fechter, spontan nahe des Checkpoint Charlie in der Zimmerstraße errichtet. 1999 wurde es durch ein Denkmal nach einem Entwurf von Karl Biedermann ersetzt. In Erinnerung an den als ersten Mauertoten geltenden Günter Litfin wurde am 24. August 1962 auf Initiative der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses ein Gedenkstein an der Sandkrugbrücke errichtet. Der letzte derartige Gedenkort wurde am 21. Juni 2003 zum Gedenken an den letzten Mauertoten, Chris Gueffroy, eingeweiht, der am 5. Februar 1989 am Britzer Zweigkanal erschossen wurde. Dieses Denkmal steht in bewusster Analogie zu dem für Peter Fechter errichteten. Darüber hinaus entstanden insgesamt weit über 100 Erinnerungszeichen, Infotafeln, Gedenktafeln/-steine und Kreuze zur Erinnerung an Menschen, die dem mörderischen Grenzregime zum Opfer fielen oder aber an Ereignisse an der Berliner Mauer. Diese Denkmäler und Erinnerungszeichen sind über den gesamten Mauerverlauf hinweg rund um das einstige West-Berlin zu finden. Alle Gedenk-/Infotafeln finden sich mit ergänzenden Materialien auf der berlinHistory.app.

Weiße Kreuze

Zu diesen Markierungen gehören auch die vom Berliner Bürgerverein e. V. und dem Bund der Mitteldeutschen errichteten „Weißen Kreuze“. Vom 13. August 1971 an wurden auf Initiative dieser Vereine für die Mauertoten an den jeweiligen Todesorten weiße Kreuze aufgestellt. Später wurden einige davon am Reichstagufer und in der Bernauer Straße zusammengeführt, da sie sich so besser pflegen ließen. So erklärt sich auch die willkürlich erscheinende Zusammenstellung der Kreuze, die mit dem tatsächlichen Ort der Grenzüberwindung bzw. des Todes der Opfer in keinem Zusammenhang steht. Wegen der Arbeiten zur Errichtung des neuen Regierungsviertels wurden die Kreuze vom Spreeufer zunächst provisorisch an die Kreuzung Ebert-/Scheidemannstraße verlagert. Der eigentliche Sammelstandort am Spreeufer wurde vom Architekten der Bundestagsbibliothek, Stephan Braunfels, neu gestaltet und am 17. Juni 2003 der Öffentlichkeit übergeben.

East Side Gallery

Nördlich der Oberbaumbrücke im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg liegt der längste erhaltene Abschnitt der Berliner Mauer. Da die eigentliche Grenze die Spree bildete, handelt es sich um einen Teil der sogenannten Hinterlandmauer. Das 1,3 Kilometer lange Mauerstück entlang der Mühlenstraße wurde im Frühjahr 1990 von Künstlern aus 21 Ländern mit 106 großformatigen Wandbildern als „längste Leinwand der Popkultur“ bemalt. Zu den bekanntesten Motiven gehören der die Mauer durchbrechende Trabbi „Test the best“ von Birgit Kinder und der Bruderkuss von Honecker und Breschnew „Mein Gott hilf mir, diese tödliche Liebe zu überleben“ des russischen Künstlers Dmitri Wrubel. Im September 1990 wurde das Bilderensemble als East Side Gallery offiziell eröffnet und ist seither ein international bekannter Besuchermagnet.

„Parlament der Bäume“

Mit dem Bau der Mauer in Berlin 1961 entstand, initiiert u. a. von Karl Prantl, Gerson Fehrenbach, Joachim-Fritz Schultze-Bansen, als erste künstlerische Auseinandersetzung mit der Mauer eine Skulpturenwiese auf der Grünfläche zwischen Kongresshalle und dem Reichstag als „Mauer aus Kunst wider alle Mauern der menschlichen Tyrannei“. Der Berliner Künstler Ben Wagin pflanzte hier und in der weiteren Umgebung des Spreeufers gemeinsam mit führenden Politikern der Bundesrepublik Bäume als lebendige Zeichen der Erinnerung an die Geschichte dieses Ortes und gegen die Trennung der Stadtteile. Ben Wagin wollte zugleich auch an eine andere Geschichte des Ortes erinnern: Das „Parlament der Bäume“ soll auch den Tod Tausender Soldaten des Zweiten Weltkrieges in Erinnerung bringen. Sowjetische Soldaten hatten am 30. April 1945 den Reichstag erstürmt und waren auf ihrem Rückweg von einer zuvor unentdeckten SS-Elite-Einheit hinterrücks erschossen worden. Rund um das Spreeufer fand 1945 das große Gemetzel statt. Mit dieser doppelten Widmung rief er 1989/90 gegenüber dem Reichstag am Schiffbauerdamm das „Parlament der Bäume“ gegen Krieg und Gewalt ins Leben, als sich für das Niemandsland des Grenzstreifens keiner verantwortlich fühlte. Auf einzelnen Segmenten der Hinterlandmauer listete er das Jahr und die Anzahl der Mauertoten auf und ergänzte die Dokumentation durch Bilder und Gedichte. Durch die Baumaßnahmen des Bundes für die Bundestagsbibliothek und die Bundespressekonferenz auf dem von Ben Wagin gestalteten Mauerstreifen wurde das „Parlament der Bäume“ auf den jetzt verbliebenen Mittelteil reduziert. Nach heftigen Protesten wurden die mit der Zahl der Mauertoten in den jeweiligen Jahren versehenen Mauerteile im Bereich der Bundestagsbibliothek Teil derselben und die Mauer vom Grundstück der heutigen Bundespressekonferenz hinter die am Ort erhaltene Mauer auf dem „Parlament der Bäume“ verschwenkt, sodass dort jetzt eine doppelte Mauerreihe steht.

Anfänge des Erinnerns an die Mauer und eines würdigen Opfergedenkens

Vom Beschluss des Runden Tisches zur Errichtung der Gedenkstätte Berliner Mauer

Bereits im Frühjahr 1990 wurde am „Runden Tisch Berlin-Mitte“ sowie von der Versöhnungsgemeinde die Schaffung einer Gedenkstätte an der Bernauer Straße angeregt. Beide historische Museen Berlins (Deutsches Historisches Museum (West) und Museum für Deutsche Geschichte (Ost)) sowie die beiden Berliner Stadtoberhäupter Tino Schwierzina und Walter Momper betrieben seither die Errichtung einer Gedenkstätte an dieser Stelle. Der erste gemeinsame Senat von Berlin beschloss am 13. August 1991, eine Erinnerungs- und Gedenkstätte Berliner Mauer zu errichten. Wegen der schwierigen Verhandlungen über eine Nutzungsvereinbarung des Todesstreifens auf dem Gelände der Sophiengemeinde, die erst im Oktober 1993 abgeschlossen werden konnten, wurde der künstlerische Wettbewerb für das Denkmal erst 1994 ausgeschrieben. Nach einem kontroversen Verfahren entschieden Bundestag und Bundesregierung nach Absprache mit dem Land Berlin im Juli 1995 die Realisierung des Entwurfes Kohlhoff & Kohlhoff (Stuttgart). Am 9. November 1997 wurde schließlich der Grundstein gelegt und am 13. August 1998 nach mehr als achtjährigem Ringen die Eröffnung der Gedenkstätte vorgenommen. Vom Deutschen Historischen Museum vor der Vernichtung durch Einlagerung gerettete Mauerteile, wie z. B. der originale Wachturm von der Ackerstraße/Bernauer Straße, durfte aus Gründen des Denkmalschutzes und wegen des Einspruches der Sophiengemeinde nicht wieder aufgestellt werden. Dieser befindet sich jetzt auf dem Gelände des AlliiertenMuseums.

Ein Jahr später konnte im bisherigen Gemeindehaus der Versöhnungsgemeinde das Dokumentationszentrum Berliner Mauer am 9. November 1999 vom Trägerverein Berliner Mauer eröffnet werden. Mit der Einweihung der Kapelle der Versöhnung im Jahre 2000 und mit dem Umbau und der Ergänzung des Dokumentationszentrums durch eine Aussichtsplattform (2003) fand das Gedenkstättenensemble seine erste Abrundung, um dem wachsenden Publikumsinteresse geeignete Angebote machen zu können.

Mauerverlaufskennzeichnung durch Doppelpflastersteinstreifen

Parallel zum Abriss der Mauer kamen auch die ersten Ideen auf, wie der bisherige Mauerverlauf durch die Stadt für die Nachwelt sichtbar gehalten werden könnte. Zu nennen sind dabei das lupinenbestandene Mauerland (Manfred Butzmann, 1990), die Idee einer doppelreihigen Großpflastersteinreihe (Tiefbauamt Kreuzberg, 1990), ein Kupferband (Gernot Zohlen, 1992) und die Markierung der Grenzmauer und der Hinterlandmauer mit roten und blauen Betonintarsien (Angela Bohnen, 1992). Während Muster der letzten beiden Ansätze noch in der Niederkirchner Straße zu sehen sind, hat sich letztlich die Idee der Doppelpflastersteinreihe mit eingelassenen bronzenen Markierungsschildern durchgesetzt und wurde kilometerweit auf öffentlichem Straßenland eingearbeitet.

Geschichtsmeile Berliner Mauer

Ebenso Bestand hatte die Idee des Kreuzbergmuseums zu einer „Geschichtsmeile Berliner Mauer“, die nun Teil des Kommunikationskonzeptes und weiter ausgebaut worden ist. Hier werden an den Brennpunkten des Mauergeschehens auf über 30 zweisprachigen Tafeln in Bild und Wort die Ereignisse an dem jeweiligen Standort erläutert. Außerdem kann man mit der berlinHistory.app 100 Mauergeschichten an den jeweiligen Ereignisorten der Mauer abrufen und den Mauerverlauf in seiner ursprünglichen Ausdehnung sehen.

Markierung der ehemaligen Grenzübergänge

Auch für die Kennzeichnung der aufgelassenen ehemaligen Grenzübergänge wurde 1996 ein künstlerischer Wettbewerb ausgelobt, der sich der Übergänge Bornholmer Straße, Chausseestraße, Invalidenstraße, Friedrichstraße, Heinrich-Heine-Straße (und vier anderer U-Bahnstationen), Oberbaumbrücke und Sonnenallee widmete. Hier wurden – heute leider nur noch teilweise sichtbare – künstlerische Markierungen angebracht, teils ironische, wie die plattgefahrenen Kaninchen am Übergang Chausseestraße, teils plakative, wie mit der Stele am Checkpoint Charlie, wo ein US-Soldat und ein russischer Soldat in den jeweils anderen ehemaligen Grenzbereich schauen. Das Haus am Checkpoint Charlie zog am 13. August 2000 mit dem Nachbau der ersten Abfertigungsbaracke der Amerikaner am Checkpoint Charlie nach. Die Originalbaracke der letzten Phase wurde nach dem Mauerfall unter großer öffentlicher Anteilnahme in das AlliiertenMuseum verlagert.

Wachtürme am Schlesischen Busch und an der Kieler Straße

Die einzigen im Stadtbild erhaltenen Wachtürme sind die Leittürme im Schlesischen Busch in Treptow und an der Kieler Straße sowie ein Hinterland-Beobachtungsturm in der Erna-Berger-Straße am Potsdamer Platz. Beide Wachtürme (ehemalige sogenannte Führungsstellen) wurden unter Denkmalschutz gestellt und Nutzern übergeben, die Konzepte für eine spezifische Erinnerung an die Mauer vorlegten. Im Schlesischen Busch widmete sich die Künstlergruppe aus der Fabrik am Flutgraben – ebenfalls einer Mauerhinterlassenschaft – der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Mauerthema, im Leitturm am Kieler Eck/Nordhafen richtete der Bruder des Maueropfers Günter Litfin einen Gedenkort ein.

Mauerkreuze am Checkpoint Charlie

Am 31. Oktober 2004 eröffnete die Leiterin des privaten Mauermuseums – Museum „Haus am Checkpoint Charlie“, Alexandra Hildebrandt, auf den Grundstücken östlich und westlich der Friedrichstraße einen Mauernachbau auf 200 Metern Länge und ein Mauerdenkmal mit 1065 Holzkreuzen, die an Opfer des DDR-Grenzregimes erinnern sollten. Das Bauwerk war als temporäre künstlerische Installation angemeldet und wurde vom Eigentümer nach Ablauf des Pachtvertrages auf der Basis eines gerichtlichen Räumungsbeschlusses am 5. und 6. Juli 2005 abgebaut. Während sich viele Menschen von der Installation sehr bewegt zeigten und die Diskussion um die Erinnerung an die Mauer und deren Opfer sehr beflügelt wurde, wurde sie von Historikern und Denkmalschützern heftig kritisiert, weil der Nachbau Standort und Aussehen der Mauer verfälschte und der Ort insgesamt kein Ort der Opfer war. Zudem wurde mit den Kreuzen an Menschen als Maueropfer erinnert, die nach den Forschungsergebnissen des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam und der Gedenkstätte Berliner Mauer entweder in anderen Zusammenhängen verstorben oder sogar noch am Leben waren.

Checkpoint Charlie

Seit dem Sommer 2006 informiert eine 360 Meter lange Galeriewand am Checkpoint Charlie über die Geschichte des Ortes, die Berliner Mauer und ihre Opfer allgemein und ergänzt damit das Angebot des Mauermuseums – Museum „Haus am Checkpoint Charlie“ mit seinen Exponaten aus der Fluchtbewegung und seiner Ausstellung zum gewaltfreien Widerstand. Die Ausstellung verweist zudem die zahlreichen Besucher der Stadt auf weitere Orte der Mauergeschichte und noch vorhandene authentische Spuren. Sie gehört mittlerweile zu den meistbesuchten zeitgeschichtlichen Ausstellungen überhaupt. Bei einer künftigen Bebauung der ehemaligen Kontrollpunktgrundstücke wird es einen frei zugänglichen Erinnerungsort auf dem Grundstück Zimmer-/Friedrichstraße (Ostseite) geben, der nach Möglichkeit zu einem Museum des Kalten Krieges unter besonderer Berücksichtigung des Brennpunktes Checkpoint Charlie als weltweit einziger Ort der direkten Konfrontation der beiden Supermächte und Angelpunkt des Eisernen Vorhanges durch Europa ausgebaut werden soll.

Brandenburger Tor

Das Brandenburger Tor mit dem Par­lamentsviertel ist der zentrale touristische Anziehungspunkt der Stadt, an dem allerdings infolge der Baumaßnahmen für die Bundesregierung und das Parlament bis auf das „Parlament der Bäume“ alle Mauerspuren verloren gegangen sind. Seit Sommer 2009 gibt es daher im U-Bahnhof Brandenburger Tor das „Zeitgeschichtliche Portal“, das über die Geschichte dieses nationalen Symbols in den verschiedenen Epochen und insbesondere die Ereignisse der Teilung und des Mauerfalles in einem Ausstellungsraum in der Passerelle unter dem Pariser Platz und an den Wänden des Bahnhofs informiert. Außerdem wird auf die Orte in der Stadt verwiesen, wo sich authentische Spuren erhalten haben und in welchen Gedenkstätten und zeitgeschichtlichen Museen weitere Informationen erhältlich sind.

Potsdamer Platz

Im ehemaligen Verlauf der Berliner Mauer auf dem Potsdamer Platz hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2006 eine Ausstellung zum Gedenkkonzept Berliner Mauer eingerichtet. Die Ausstellung ist zweisprachig und informiert über bestehende Erinnerungsorte sowie über zukünftige Projekte. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Mauerfalles wurde sie 2009 aktualisiert und neu gestaltet. Weitere Mauerteile und eine Doppelpflastersteinreihe markieren den Verlauf der Mauer und eine Infosäule verweist in acht Sprachen auf die weiteren Mauerorte. An der nahe gelegenen Erna-Berger-Straße ist ein seit 2001 unter Denkmalschutz stehender sogenannter Rundblickbeobachtungsturm („RBT“) erhalten, der der Vorfeldsicherung auf der Ostseite der Mauer diente. An der Ecke Stresemannstraße/Erna-Berger-Straße wurden weitere erhaltene Mauerteile der Vorderlandmauer innerhalb des Neubaues des Umweltministeriums am originalen Standort aufgestellt.

Bernauer Straße

An der Bernauer Straße ist zum 50. Jahrestag des Mauerbaues am 13. August 2011 die zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland zur Geschichte der Berliner Mauer entstanden, die mit mehr als einer Million Besuchen im Jahr zu den meistbesuchten Gedenkstätten gehört. Ausgehend von einem 2008 abgeschlossenen Wettbewerb wurden die drei bisherigen konstitutiven Bestandteile der bisherigen Gedenkstätte Berliner Mauer, dem Denkmal für die Opfer der Berliner Mauer und der kommunistischen Gewaltherrschaft, dem Dokumentationszentrum Berliner Mauer im ehemaligen Gemeindehaus der Versöhnungsgemeinde und der an der Stelle der von den Grenztruppen 1985 gesprengten Versöhnungskirche errichteten Versöhnungskapelle, in eine umfassende Gedenklandschaft zwischen dem Nordbahnhof und dem Mauerpark eingebettet. Dabei empfängt ein Infopavillon am Nordbahnhof/Gartenstraße die Besucher und das Dokumentationszentrum dient als Ausstellungshaus für Dauer- und Sonderausstellungen zu Mauerthemen und enthält Seminarräume und ist Sitz der Stiftung Berliner Mauer.

Die bis dahin von einem Trägerverein betriebene Gedenkstätte wurde im September 2008 gemeinsam mit der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde per Gesetz in den Status einer selbstständigen, vom Land Berlin und dem Bund gemeinsam getragenen Stiftung überführt und damit auf Dauer gesichert. Beide Träger stellten erhebliche Mittel für den Grunderwerb im Mauerstreifen und den weiteren Ausbau der Stiftung zur Verfügung.

Niederkirchner Straße

Die hier erhaltene 200 Meter lange Vorderlandmauer vom Typ 75 der vierten Mauergeneration ist integraler Bestandteil der Stiftung Topographie des Terrors. Sie ist im Zuge der Umgestaltung des Freigeländes auch von der Westseite über den ehemaligen Gehweg vor der damaligen NS-Terrorzentrale wieder zugänglich. Eine weitere Infosäule an der Ecke Niederkirchner-/Stresemannstraße erzählt die Geschichte dieses Ortes in acht Sprachen.

East Side Gallery

Die East Side Gallery ist seit November 2008 baulich rekonstruiert und wurde von Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt – soweit sie noch verfügbar sind – bis zum 20. Jahrestag des Mauerfalles mit den ursprünglichen Motiven neu bemalt. Parallel dazu entstand zwischen der ehemaligen Hinterlandmauer, die die East Side Gallery eigentlich darstellt, und der Spree ein Bürgerpark. Zum 1. November 2018 hat das Land Berlin die Verantwortung für die Grundstücke „Park an der Spree“ und „East Side Park“ mit den als „East Side Gallery“ bekannten Elementen der ehemaligen Berliner Mauer aus dem Eigentum des Landes Berlin in das Eigentum der Stiftung Berliner Mauer übertragen, die hier nun ein umfassendes Informationsangebot entwickelt.

„Parlament der Bäume“

Auf Bundes- und Landesebene wurde daran gearbeitet, das „Parlament der Bäume“ als letzten authentischen Mauerort im Regierungsviertel auf Dauer zu sichern. Dafür wurde die Liegenschaft 2020 an das Land Berlin übertragen und der Stiftung Berliner Mauer zur Betreuung zugewiesen.

Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde

Neben den Orten der gescheiterten oder unter teilweise dramatischen Umständen gelungenen Fluchten an der Mauer ist das Notaufnahmelager Marienfelde als zentrales Durchgangslager für alle DDR-Übersiedler im Gedenkstättenkanon zur DDR-Geschichte von herausragender Bedeutung. Deshalb wurde es mit der Gedenkstätte Berliner Mauer unter einem gemeinsamen Stiftungsdach zusammengeführt und damit auf Dauer gesichert.

Sonstige Mauerorte

Der Wachturm (Führungsstelle) an der Kieler Straße bildet in Zusammenhang mit der künstlerischen Kennzeichnung der Sandkrugbrücke (Invalidenstraße) und der erhaltenen Hinterlandmauer auf dem Invalidenfriedhof das Bindeglied zwischen Hauptbahnhof und der Erinnerungslandschaft zwischen dem Mauerstreifen vom St. Hedwigsfriedhof/Elisenstraße über das Nordbahnhofsgelände, die Bernauer Straße und über den Mauerpark bis zur Bösebrücke/Bornholmer Straße. Der Turm wird als Gedenkstätte für Günter Litfin von dessen Bruder Jürgen mithilfe eines Vereins betrieben. Dieses Relikt der Berliner Mauer wurde ebenfalls der Stiftung Berliner Mauer übertragen.

Baugleich mit dem Turm an der Kieler Straße ist der Wachturm im Schlesischen Busch an der Puschkinallee, der in Zusammenhang mit den Mauerresten und der heutigen Kunstfabrik am Flutgraben für thematisch auf Mauer und Grenze bezogene Kunstprojekte genutzt wird. Dieser dezentrale Mauerabschnitt wird durch ein eigenes Führungssystem erschlossen.

Mit diesen beiden Türmen korrespondiert ein Wachturm außerhalb der Berliner Landesgrenze, der Führungspunkt des Grenzregiments 44 „Walter Junker“ am ehemaligen DDR-Kontrollpunkt Drewitz, der vom Checkpoint Charlie e. V. betrieben wird. Zu diesem Erinnerungsraum gehört auch das ehemalige Panzerehrenmal an der Autobahn zwischen Dreilinden und Drewitz, der auf Berliner Seite gelegene ehemalige Alliiertenkontrollpunkt Dreilinden mit der Bronzeplastik des Berliner Bären und die Gedenkstätte zum 17. Juni 1953 auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Chaussee.

Ausblick – Was bleibt?

Die Erfahrung der zurückliegenden Jahre zeigt, dass mit dem zeitlichen Abstand bei Touristen ebenso wie bei Berlinern das Interesse daran wächst, was und wo die Mauer war und was sie für das Leben in der geteilten Stadt bedeutete. Das Interesse an der DDR-Geschichte und speziell an der Mauer wuchs schneller und eher, als es bei der Geschichte des NS-Staates der Fall war. Hier wie da wird es keine Rekonstruktionen geben, aber eine sorgfältige Präsentation ausgewählter Spuren sowie der geschichtlichen Hintergründe und Verantwortlichkeiten. Dazu gehört auch ein angemessenes Gedenken an die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft und der Mauer. Wenn Zeitzeugen irgendwann nicht mehr zur Verfügung stehen, um aus ihrer eigenen lebendigen Erinnerung und ihren Erfahrungen zu erzählen, werden mediale und museale Techniken diesen Part übernehmen und im Zusammenklang mit den materiellen Zeugnissen und Dokumenten die Geschichte präsentieren. Aufgabe bleibt, den bedeutendsten Einschnitt der Stadt- und Nationalgeschichte nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes (und die SED-Diktatur als Folge des von Deutschland ausgehenden Krieges) zu erzählen und im internationalen Kontext zu verankern, insbesondere in dem der Geschichte der mittel- und osteuropäischen Staaten. Der Fall der Berliner Mauer kann somit als Geburtsstunde einer neuen und umfassenden europäischen Integration begriffen werden, die zuvor an der Westseite des Eisernen Vorhanges durch Europa endete.


Quellen

Gesamtkonzept „Berliner Mauer“ – Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 und Materialien

Koalitionsvereinbarung der SPD/PDS-Koalition von 2001

Wettbewerbsunterlagen zur Errichtung des Denkmals für die Opfer der Berliner Mauer und der kommunistischen Gewaltherrschaft

Wettbewerbsergebnis zur Kennzeichnung der ehemaligen Grenzübergänge

Wettbewerbsunterlagen zur Erweiterung der Gedenkstätte Berliner Mauer

Klausmeier/Schmidt, Mauerreste-Mauerspuren, Berlin 2004

www.berlin.de/Mauer

www.chronik-der-mauer.de


[1]    Prof. Konrad Jarausch. Zitiert nach „Gesamtkonzept Berliner Mauer“, Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006, Drs. des Abgeordnetenhauses 15/5308 vom 21.06.2006.


Rainer E. Klemke: Diplompolitologe, Kommunikationsberater und Projektentwickler, ehemals Leiter der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Gesamtkonzept Berliner Mauer“ des Berliner Senats sowie von 1995 bis 2012 Leiter der AG Museen mit Bundesbeteiligung, Gedenkstätten und Zeitgeschichte in der Senatskanzlei des Landes, heute Vorsitzender der berlinHistory.app, die insbesondere die DDR- und Mauergeschichte in der Stadt verortet präsentiert.