Der Gravensteen, die Burg der flämischen Landgrafen, steht bis heute trutzig im Zentrum der belgischen Stadt Gent. In ihren wuchtigen Mauern hielten über Jahrhunderte hinweg die Herren über Flandern Gericht. Die flämischen Landgrafen waren wegen ihrer grausamen Rechtsprechung gefürchtet. Zwischen 1407 und 1708 waren in den Kerkern ungezählte Sträflinge gefangen, von denen viele Folterqualen ausstehen mussten. Gefängnis und Kerkerloch sind bis heute als Teil eines „Foltermuseums“ in der Burg zu besichtigen.
Die Misshandlung von Häftlingen ist keineswegs nur ein Problem der Vergangenheit. Bis heute werden weltweit Menschen aus politischen Gründen inhaftiert, ihrer Rechte beraubt oder gar getötet. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International setzt sich für die Belange dieser Gefangenen ein. Zur Erinnerung an alle „Verschwundenen Menschen“ („Missing persons“), die weltweit wegen ihrer Überzeugung, Religion, Rasse oder anderen Gründen verschleppt, verhaftet oder ermordet wurden, initiierte Amnesty International zusammen mit dem Honest Arts Movement, einer belgischen Künstlervereinigung, 1996 den Bau eines Denkmals. Als Standort wurde wegen seiner Geschichte der Gravensteen in Gent ausgewählt. Der belgische Künstler Freddy de Vos aus Drongen übernahm die Gestaltung. Auf einen grauen stufenförmigen Sockel setzte er eine Skulptur aus Aluminiumstäben, in deren Mitte die Silhouette eines Menschen ausgespart ist. Das Fundament ließ de Vos innen leer. Dorthinein steckten Genter Schulkinder anlässlich der Einweihung am 3. Mai 1996 Briefe, die sie an politische Gefangene geschrieben hatten. Das Projekt „Schrijfzevrijdag“ (etwa: „Schreibt sie frei“) war von Amnesty International Belgien ins Leben gerufen worden. Der Künstler selbst hinterließ im Sockel eine kleine Bronzeplastik sowie drei Bröckchen aus der Berliner Mauer, die ihm ein deutscher Kollege für das Vorhaben zur Verfügung gestellt hatte. Zwei weitere kleine Mauerbröckchen wurden von außen sichtbar in das Fundament eingelassen. Daneben sind kleine Steine von der südafrikanischen Gefängnisinsel Robben Island, auf welcher der Menschenrechtler und spätere Präsident Nelson Mandela achtzehn Jahre vom Apartheid-Regime festgehalten wurde, zu sehen.