© Jochen Guckes
   Die Mauer vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg
© Jochen Guckes
   Die Mauer vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg

Nach dem Fall der Mauer 1989 und dem Sturz des SED-Regimes musste sich die DDR auch international neu positionieren. Bislang fest in den von der Sowjetunion dominierten Warschauer Pakt eingebunden, wurde im Frühjahr 1990 heftig über die Alternativen Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten oder Reform der DDR mit außenpolitischer Neutralität diskutiert. Auf internationalem Parkett waren die Weichen jedoch schon deutlich in Richtung Wiedervereinigung gestellt. Am Rande der „Open Skies“-Konferenz im kanadischen Ottawa verständigten sich die Siegermächte am 13. Februar 1990 grundsätzlich auf Verhandlungen über einen möglichen Zusammenschluss. Dennoch bemühte sich die DDR-Regierung weiter um den Aufbau von Kontakten zu europäischen Institutionen. Bei einer Begegnung des stellvertretenden Außenministers Werner Fleck mit der Generalsekretärin des Europarates, Catherine Lalumiére, im Februar 1990 wurde an die DDR-Regierung der Wunsch herangetragen, ein Mauerteil für einen geplanten „Palast der Menschenrechte“ in Straßburg zu erhalten. Der damals noch amtierende Außenminister der DDR, Oskar Fischer, schlug daraufhin Anfang März der DDR-Regierung vor, dass „dem Anliegen der Generalsekretärin des Europarates […] im Interesse der zügigen Entwicklung der Beziehungen zwischen der DDR und dem Europarat entsprochen werden“ sollte. Zwei Tage vor der einzigen demokratischen Wahl zur Volkskammer am 18. März 1990 stimmte der Ministerrat der Schenkung zu.

In Straßburg war das Interesse an der ehemaligen Grenzbefestigung groß. Zusätzlich zum geschenkten Mauerteil wurden drei weitere Segmente von der DDR-Firma Limex angekauft. Diese waren im Juni 1990 auf der ersten großen Mauerauktion in Monaco bereits einmal zur Versteigerung angeboten worden. Doch es fand sich kein Interessent, sodass die Betonsegmente schließlich nach Straßburg verkauft wurden. Noch im Jahr 1990 wurde die tonnenschwere Fracht nach Frankreich gebracht und bis zur Fertigstellung des Museums 1995 eingelagert. Doch auch dann ließ sich kein geeigneter Platz im „Palast der Menschenrechte“ finden. Erst 1997 fanden sie vor dem Gebäude, in dem auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seinen Sitz hat, ihren neuen Standort. Hier stehen die Mauersegmente heute so, wie sie schon vor ihrer Demontage 1990 in Kreuzberg gestanden hatten. Vier Köpfe, die der berühmte Mauerkünstler Thierry Noir gemalt hatte, und die etwas rätselhafte französische Aufschrift: „le duo d’enfer a encore frappé“ (in etwa: „Das Duo aus der Hölle hat es wieder einmal geschafft“) sind auf ihnen zu sehen.

Die Segmente sind mittlerweile von einem Gitter umzäunt und befinden sich nun auf dem Vorplatz des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Mauerfalles fand 2019 vor den Segmenten eine Gedenkfeier statt. An der Veranstaltung nahmen der damalige Präsident des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, Linos-Alexandre Sicilianos, der ehemalige Bürgermeister von Straßburg, Roland Ries, der französische Botschafter beim Europarat, Jean-Baptiste Mattéi sowie der deutsche Botschafter, Rolf Mafael, teil.

Karte mit Standorten, an denen Teile der Berliner Mauer zu finden sind.